Amtsrichter Dr. Süß zu Gast an der IGS


Projekttag ‚Interview mit einem Richter‘

Bereits seit einigen Wochen beschäftigte sich der Jahrgang 8 der IGS mit dem Thema ‚Jugend und Recht‘. Wie eine Gerichtsverhandlung aussieht, welche Personen in einem Gerichtssaal anwesend sind und welche Rolle das Jugendschutzgesetz spielt, wissen die Schülerinnen und Schüler also mit großer Wahrscheinlichkeit bereits aus dem Gesellschaftslehre-Unterricht. Doch die Chance, mit einem Richter ins Gespräch zu kommen, hatten bisher in ihrem Leben nur wenige der Jugendlichen. Die Klassenlehrkräfte des Jahrgangs hatten daher für den 20.12. einen Gast in die Aula eingeladen, der von den Schülerinnen und Schülern herzlich empfangen wurde:

Dr. Bernd Süß, der seit 2018 am Amtsgericht Alsfeld unter anderem beim Schöffengericht und Jugendgericht zuständig ist, stieg humorvoll ein: „Da ich noch keinen von euch kenne, spricht das für euch.‘ Er stellte sich im Laufe des Projekts den interessanten und vielfältigen Fragen der Jugendlichen. Die Frage, warum er Richter werden wollte, war für ihn nicht leicht zu beantworten. Als Anwalt müsse man auch Mandanten vertreten, die schuldig sind. Daher hat Dr. Süß sich dazu entschieden, lieber Richter zu werden: „Ich mache das, was mir gefällt – und ich möchte auch gar nichts anderes mehr machen.“

Seine Ausbildung zum Richter führte ihn durch vier Jahre Studium, ein Jahr Promotion und zwei Jahre Referendariat. Mit „professionellem Abstand“ spricht er in seinem Berufsalltag viele Urteile aus und hatte es dabei bei den ungefähr 700 Fällen, die er in seiner bisherigen Laufbahn bearbeitet hat, nach eigener Aussage sehr oft mit suchtkranken und psychisch kranken Menschen zu tun. Er kümmert sich beispielsweise um Urteile zu Ladendiebstählen, getunten Rollern sowie Drogendelikten und bearbeitet derzeit als Amtsrichter Fälle von bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe. Auch sogenannte „Schulowis“ – die Kurzform für Schulordnungswidrigkeiten – bei Schulschwänzern kommen regelmäßig auf seinen Tisch.

Wie man etwas rechtlich bewertet, kommt bei Rechtsfällen immer auf Details an – daher ist auch kein Fall exakt wie der andere. Dr. Süß erklärte den Jugendlichen sehr anschaulich und sympathisch, dass es dabei für ihn manchmal auch schwierig sei, eine Entscheidung zu treffen. Schließlich gäbe es auch viele Fälle, bei deren Urteil es im Grunde nur Verlierer gäbe. „Ich mag es, wenn die Angeklagten gestehen. Das ist nämlich weniger Arbeit.“ In ungefähr 70 der Prozent der Fälle sei dies auch so.

Leider hat es Dr. Süß bei seiner Arbeit auch oft mit jugendlichen Wiederholungsstraftätern zu tun. Er stellte dazu fest: „Wir können nicht das leisten, was im Elternhaus schiefgelaufen ist.“ Wenn Fehlverhalten schon im häuslichen Umfeld von Jugendlichen nicht sanktioniert werde, habe unser Rechtssystem es bei der Resozialisierung von straffälligen Jungen und Mädchen schwer. Sehr viele der Straftaten spielten sich dabei mittlerweile auch im virtuellen Raum ab: Cybermobbing, die illegale Verbreitung von verfänglichen Bildern in sozialen Medien und ähnliche Straftaten nähmen unter Jugendlichen immer mehr zu. „Ich will keinen hier im Gerichtssaal wiedersehen“, schloss Dr. Süß die Fragerunde und hinterließ dankbare Jugendliche an der IGS, die Dr. Süß auch im nächsten Jahr gerne wieder begrüßen wird.