Lesungen von ‚Pembo‘ und ‚Einfach so weg‘
Vorlesen und sich dann über das Buch unterhalten – das kennen alle Kinder von zu Hause. In der Schule als Jahrgang eine spannende Geschichte gemeinsam anhören und dann dazu ins Gespräch kommen – diese Chance bietet sich den Kindern und Jugendlichen selten. Wie schön war es daher, dass die Autorin Ayşe Bosse sich die Zeit nahm, um den Jahrgängen 5 und 10 aus zweien ihrer Bücher vorzulesen und dann sich zu den Themen ihrer Werke mit den Kindern und Jugendlichen auszutauschen.
Zunächst wartete der Jahrgang 5 mit seinen Klassenlehrkräften gespannt in der Aula auf die Lesung der Hamburger Autorin. Noch vor einem knappen Jahr waren sie die ‚Neuen’ an der IGS und hatten am gleichen Ort aufgeregt ihre Einschulungsfeier verfolgt. Halb mit einem Bein noch in der Grundschule und dennoch bereits sehr neugierig und glücklich über den Schritt an die ‚große‘ IGS, wo alles noch neu und unbekannt für sie war, hatten sie ihren großen Tag begangen.
Am Tag der Lesung von Ayşe Bosse durften sie nun dank des Engagements von Kira Bäumert, die die Lesung organisiert und die deutsch-türkische Autorin engagiert hatte, der Geschichte von ‚Pembo‘ lauschen. Der gleichnamige Roman, der 2021 für den Jugendliteraturpreis nominiert wurde, erzählt die Geschichte eines Mädchens, das in zwei Welten spielt: Eines Tages muss das Mädchen Pembo mit ihrer Familie ihre Heimat verlassen und nach Deutschland umziehen. Pembo will aber nicht. Sie liebt die Sonne, das Meer und die Freunde in ihrer türkischen Heimat. Sie hasst jedoch ihren richtigen Namen ‚Pembegül‘ und hat eine ‚Rosa-Allergie‘, kann also mit ‚typischem Mädchenkram‘ wenig anfangen.
Angekommen in Deutschland ist ihr dort zunächst alles grau und fremd. Sie kennt niemanden und fühlt sich zerrissen zwischen dem „Hier“ und dem „Dort“. Aber dann entdeckt Pembo, wie viel Kraft und wie viel Herz sie hat, um auf das Neue zuzugehen - und aus halb und halb ein rundes, glückliches Leben zu machen. „Halb und halb macht doppelt glücklich“ – so lautet auch der Untertitel des Romans.
Auch viele Kinder des 5. Jahrgangs teilten ihre Geschichten, erzählten von Umzügen und Ortswechseln und ihren Wurzeln, die teils in Kasachstan, Polen, Italien, Spanien und auch vielen weiteren Ländern der Welt liegen. Sie tauchten aufmerksam in Pembos magische, bewegend und humorvoll erzählte Welt aus zwei Orten, zwei Sprachen und zwei Kulturen ein. Ayşe Bosse zeigte den Kindern mit ihrem Roman, dass Menschen überall auf der Welt viel voneinander lernen können und es immer dann am schönsten ist, wenn alle füreinander da sind, man seine Türen öffnet und anderen Menschen Hilfe anbietet.
Mit frischen Eindrücken und ein paar Worten ‚Türkisch für Anfänger‘ entließ sie die Kinder nach deren interessierten Fragen zu ihrer Person und ihrem Buch in ihren Tag. Passenderweise durften sie zum Schluss noch von Pempos Einschulungsfeier an der weiterführenden Schule lauschen. Sicherlich werden nun manche der Kinder den Rest vom Pembos Geschichte erfahren wollen und sich auch für die Fortsetzung des Romans interessieren, an dem Ayşe Bosse gerade arbeitet.
Der Jahrgang 10 durfte sich im Anschluss einem ganz anderen und dennoch ebenso wichtigen Thema widmen. Neben ihrer Autorentätigkeit ist Ayşe Bosse in ganz Deutschland als Trauerbegleiterin für Kinder und Jugendliche aktiv und setzt sich für die Enttabuisierung von Trauer und Verlust. Nachdem die Jugendlichen im Vorfeld im Religions- und Ethikunterricht für die Themen Tod und Sterben sensibilisiert worden waren, bekamen sie nun einen Auszug aus Ayşe Bosses Buch ‚Einfach so weg – Dein Buch zum Abschied nehmen, Loslassen und Festhalten‘ geboten.
Wer bereits Trauer und Verlust erlebt hat, weiß um die Relevanz der Verarbeitung der damit verbundenen Emotionen, die durchaus sehr unterschiedlich und schwankend ausfallen können. Verluste, die nicht nur durch den Tod, sondern auch Trennungen der Eltern oder Umzüge ausgelöst werden können, gehen oft einher mit intensivsten Gefühlen von Angst, Leere, Wut, Einsamkeit und Vermissen. Nicht alle Jugendlichen können oder wollen diese Gefühle mit anderen teilen. „Wenn man darüber redet, wird die Angst kleiner,“ stellte die Autorin fest. Der Tod gehört zum Leben dazu.
Ayşe Bosse hat ihr Mitmach-Buch mit Jugendlichen für Jugendliche konzipiert und merkte an: „Trauer ist Liebe, die nicht weiß, wo sie hinsoll.“ Ihr Buch sorgt mit Kurzgeschichten, Liedtexten, Gedichten, Comics, Kreativ-Seiten und viel Platz für eigene Gedanken dafür, dass die Trauer von Jugendlichen normalisiert und kanalisiert wird. Trotz anfänglich spürbarer Berührungsängsten hörte der Jahrgang 10 aufmerksam zu, als die Autorin Erfahrungsberichte und Zitate trauernder Jugendlicher vorlas.
Eine grundsympathische Autorin mit zwei sehr unterschiedlichen Büchern, die bewegen und viele Kinder und Jugendliche zum Nachdenken anregen - die IGS freut sich sehr, dass Ayşe Bosse zu Gast war und hofft auf eine Wiederholung im nächsten Jahr.
Hier geht es zum Artikel im Schlitzer Boten.